Viele freuen sich. Der Wirtschaftsminister jubelt. Denn Tesla will hierzulande eine neue Fabrik bauen. In Grünheide im Landkreis Oder-Spree soll sie entstehen, gleich beim geplanten Flughafen BER um die Ecke, in unmittelbarer Nähe zu Berlin.
Wie Tesla-Chef Elon Musk verkündet hat, soll in Brandenburg ab dem Jahr 2021 der SUV Model Y gebaut werden, ebenso wie Batterien und Antriebe. Außerdem soll es ein Design- und Entwicklungszentrum in Berlin geben. Andere Länder, wie Frankreich, Schweden oder Finnland, hatten sich Hoffnungen auf das Werk gemacht, am Ende ist es eine Region im Berliner Süden geworden, die nicht gerade für seine Industrie bekannt ist. Bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze sollen dort entstehen.
Musk lobte ausdrücklich die Qualität der deutschen Ingenieure, die zu seinem Entschluss geführt habe. Sicher hat auch die Nähe zu Berlin etwas damit zu tun gehabt. Musk ist bekennender Fan der Stadt. Als Start-up-Zentrum des Landes bietet sie mit diversen Coworking-Spaces, Innovationshubs und Netzwerkveranstaltungen viel für die Szene. Fachkräfte, von Tesla aus dem Ausland angelockt, können hier schnell Freunde finden, mit denen sie sich auf Englisch unterhalten und gegenseitig unterstützen können.
Bei Twitter schreibt Musk schlicht das Wort Berlin, umgeben von Herzchen in Schwarz-Rot-Gold. Ein Milliardär, verliebt in eine neue – und bei Tesla auch dringend benötigte – Einnahmequelle.
Doch was erwartet deutsche Fachkräfte bei Tesla? Und was erwartet Elon Musk von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
80-Stunden-Woche? Für Musk völlig normal
Schaut man an die Orte, an denen bisher Fabriken des Konzerns stehen, nach Buffalo und Nevada in den USA, wird klar: viel. Musk ist bekannt für seinen unermüdlichen Einsatz. Und den fordert er auch von seinen Leuten. Dabei ist ihm egal, ob es sich um Kolleginnen aus dem Topmanagement oder vom Fließband handelt. 80- und mehr Stundenwochen sind bei Start-ups im Silicon Valley normal – und ganz offenbar auch für Musk, der nach eigenen Angaben 120 Stunden in der Woche arbeitet. Der Satz “es gibt viel einfachere Orte, um zu arbeiten, aber niemand hat jemals die Welt mit 40 Stunden pro Woche verändert” stammt von ihm. Fachkräfte in der Entwicklung können sich bei Tesla also schon mal auf eine ausgeprägte Start-up-Kultur – mit wahrscheinlich allen spaßigen Gadgets, den stylischen Büros, Topfpflanzen und Tischtennisplatten, aber auch der in jungen Unternehmen oftmals vorausgesetzten Selbstausbeutung – einstellen.
Und die Menschen am Fließband? In der riesigen Fabrik im Südosten der Bucht von San Francisco sollen Arbeiter bis zu zwölf Stunden am Stück schuften. Fließbandarbeit ist naturgegeben monoton. Bei Tesla soll sie körperlich besonders zehrend sein – und auch Musk selbst soll von einer “Produktionshölle” gesprochen haben. Gewerkschaftlich organisiert sind die Tesla-Arbeiter in den USA nicht. Dazu kommt ein Stundenlohn von anfangs 19 Dollar, der deutlich unter dem Durchschnitt der Autohersteller in den USA liegt. Ein nicht sonderlich üppiges Gehalt für viele Tesla-Mitarbeiter – andere, vor allem Hochqualifizierte, verdienen in der Firma sicher um einiges mehr.
Arbeitsrecht = Schutz vor Ausbeutung
In Deutschland beträgt der gesetzliche Mindestlohn ab dem 1. Januar 2020 9,35 Euro. Für die Ingenieure, die Musk so lobt und die es in Deutschland auch gibt, allerdings in überschaubarer Anzahl, wird er deutlich mehr zahlen müssen. Außerdem gibt es in Deutschland viele Gesetze zum Arbeitsschutz. Zur Anlagen- und Betriebssicherheit. Zum Mindestlohn. Zu Teilzeitregelungen. Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zu Leiharbeit. Zu Überstunden. Und zur Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmen.
Sobald mehr als fünf Menschen in einer Firma in Deutschland einen Betriebsrat haben wollen, können sie ihn einfach gründen – und auch eine Gewerkschaft in den Betrieb holen. Da Musks neues Werk einige Tausend Angestellte haben soll, wird er sich früher oder später mit einer Gewerkschaft und mit einem Tarifvertrag auseinandersetzen müssen. Der regelt dann neben Gehältern beispielsweise auch Urlaubstage und Sonderzahlungen. Willkürliche Entlassungen sind mit einem Betriebsrat schwierig.
Entspannte Mitarbeiter, entspannte Chefs?
Wenn Musk all diese Regeln berücksichtigt, kann er seinen SUV hier zuverlässig bauen lassen. Traurig über die Vorgaben des Gesetzgebers muss er gar nicht sein: Wer als Chef eine gute Arbeitsatmosphäre bietet, kann auf loyale Angestellte zählen. Sie wechseln seltener den Job, was bei fähigen Leuten ansonsten schnell mal vorkommt.
Wie das geht? Phasen der Regeneration gehören zu einem guten Arbeitsumfeld dazu. Und die sind in Deutschland zumindest rechtlich gesehen auch möglich. Beispielsweise ist hier die tägliche Arbeitszeit auf acht Stunden begrenzt. Laut einem EuGH-Urteil soll sie in Zukunft genau dokumentiert werden. Das Ziel: Überlastung und gar Burn-out vermeiden.
Womöglich melden sich dann die Arbeitskräfte in Brandenburg auch seltener krank als in den USA. In dem Werk in Kalifornien soll es im vergangenen Jahr einen drastisch gestiegenen Krankenstand gegeben haben. Im Jahr 2018 waren dort die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schnitt 66 Tage im Jahr krank. Elon, das geht besser!