Der britische Premierminister Boris Johnson will für den 12. Dezember eine Neuwahl des Unterhauses ansetzen. Das sagte Johnson in einem Interview mit der BBC. Er werde einen entsprechenden Antrag im Parlament stellen, kündigte Johnson an.
Hintergrund ist der Versuch, mithilfe einer Neuwahl die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu verändern und dann – möglichst mit eigener Mehrheit – den Brexit-Deal in britisches Recht zu überführen. Bisher führt Johnson eine Minderheitsregierung, die bereits zahlreiche schwere Abstimmungsniederlagen erlitten hat. Wenn das Parlament mehr Zeit verlange, um das von ihm mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen “zu studieren”, könnten die Abgeordneten diese bekommen, sagte Johnson – “aber sie müssen einer Parlamentswahl am 12. Dezember zustimmen”.
Für eine Neuwahl noch in diesem Jahr braucht Johnson die Zustimmung des Parlaments mit Zweidrittelmehrheit. Während die Oppositionsparteien SNP und die Liberaldemokraten bereits eine mögliche Zustimmung angedeutet hatten, kamen aus der Labour-Partei unterschiedliche Signale. Ohne Stimmen eines Teils der Labour-Abgeordneten ist eine Neuwahl nicht möglich.
In einem Brief an Labour-Chef Jeremy Corbyn fordert Johnson die Opposition auf, den Antrag zu unterstützen. Dann werde die Regierung dafür sorgen, dass die Abgeordneten “alle verfügbare Zeit” bekommen, um über das Austrittsgesetz zu debattieren. “Das bedeutet, dass wir den Brexit vor dem 12. Dezember vollziehen könnten”, schreibt der Premier. Falls das nicht gelinge, sei es notwendig, noch vor Weihnachten ein neues Parlament einzusetzen. “Wir müssen diesen Albtraum beenden.”
Johnson braucht die Opposition
Zu einer Abstimmung im Parlament über die Neuwahl könnte es bereits am Montag kommen. Ein Teil der Abgeordneten zieht es vor, einen weiteren Versuch zu unternehmen, den von Johnson ausgehandelten Brexit-Deal – gegebenenfalls mit erheblichen Änderungen – ohne Neuwahl in nationales Recht zu überführen. Solche Stimmen gibt es auch aus Johnsons eigener konservativer Tory-Partei.
Vor allem in Nordirland regt sich erheblicher Widerstand. Die Vereinbarung mit der EU sieht im Kern vor, dass eine mehr oder weniger durchlässige Zollgrenze zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel errichtet werden muss. Damit würde Nordirland zwar auf dem Papier mit dem Rest Großbritanniens aus der EU-Zollunion austreten. De facto aber bliebe es weiterhin an EU-Handelsrecht gebunden.
Das Vereinigte Königreich sollte die EU bisher am 31. Oktober verlassen. Dazu wird es aber wohl nicht kommen. Am vergangenen Wochenende hatte Johnson die EU – gegen seinen Willen, aber gesetzeskonform – um einen weiteren Aufschub des Brexits gebeten. Zuvor war der von ihm mit der EU ausgehandelte Vertrag vom Parlament nicht angenommen worden. Die Abgeordneten stimmten Tage später auch gegen seinen Zeitplan – Johnson setzte als Folge die gesamte Brexit-Gesetzgebung zeitweise aus.
Nun müssen die 27 verbleibenden EU-Mitgliedsländer noch über Johnsons Bitte entscheiden. Am Freitag soll es dazu Beratungen zwischen EU-Ratspräsident Donald Tusk, dem Europaparlament und den Regierungen geben. Diplomaten in Brüssel zufolge ist man sich aber grundsätzlich über eine weitere Verschiebung einig.