Mehr als eine Million Menschen haben in Chile für soziale Reformen demonstriert. Santiagos Bürgermeisterin sprach von einem “historischen Tag”. Von Präsident Piñera forderten die Demonstranten erneut den Rücktritt.
Mehr als eine Million Menschen haben in Santiago de Chile auf einer Kundgebung tiefgreifende soziale Reformen gefordert. “Die über eine Million Demonstranten repräsentieren die Wut und Empörung, die sich in Chile über Jahre angesammelt hat”, sagte die Bürgermeisterin der Hauptstadt, Karla Rubilar. Die vor einer Woche begonnene Protestwelle sei inzwischen zu einer “Kraft des Wandels” geworden. Sie sprach auf Twitter von einem “historischen Tag”. Die Demonstranten hätten bei dem friedlichen Protestmarsch den “Traum von einem neuen Chile” verkörpert.
Gewerkschaften und Sozialorganisationen hatten zu der größten Demonstration in der Geschichte des Landes aufgerufen. Dieses Ziel haben sie nach Einschätzung von Beobachtern wohl auch erreicht. Die Demonstranten marschierten ohne Zwischenfälle am Regierungsgebäude vorbei, wo sie Präsident Sebastián Piñera zum Rücktritt aufforderten.
Dieser reagierte auf Twitter und schrieb, die Botschaft sei vernommen worden. “Wir alle haben uns verändert. Mit Einigkeit und Gottes Hilfe werden wir den Weg zu einem besseren Chile für alle gehen.” Konkrete Maßnahmen nannte er aber nicht. Auch in Valparaíso, Punta Arenas, Viña del Mar und anderen Städten gab es Protestmärsche, an denen sich Tausende Menschen beteiligten.
Preiserhöhung für U-Bahn-Tickets
Arm und Reich in dem südamerikanischen Land. Die Protestwelle hatte sich an der Erhöhung der Preise für U-Bahn-Tickets in Santiago vor einer Woche um umgerechnet vier Euro-Cent entzündet. Sie weitete sich rasch auf das ganze Land aus, mit Forderungen, die weit über die ursprünglich beanstandeten Fahrpreise gingen – von höheren Löhnen und Renten über eine Senkung der Medikamentenpreise bis zur Verfassungsreform.
Zu Beginn arteten die Demonstrationen in Brandanschläge und Plünderungen aus. Kurz darauf wurden die Versammlungen der Chilenen zu massiven Protestkundgebungen. Die Demonstrationen nahmen nicht ab, obwohl Präsident Piñera erst die Erhöhung der Preise für U-Bahn-Tickets rückgängig machte und ein paar Tage später ein Maßnahmenpaket ankündigte, das auf einige der Forderungen der Demonstranten einging. Mindestens 19 Menschen kamen während der Unruhen ums Leben. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Menschenrechte (INDH) wurden bislang 585 Menschen verletzt und weitere 2840 festgenommen.