Showdown im Willy-Brandt-Haus: Am Abend wissen die Sozialdemokraten, wer ihr neues Vorsitzenden-Duo wird – oder aber, ob es zur Stichwahl kommt. Derweil bekennt sich der Fraktionsvorsitzende Mützenich zu seinem Favoriten und einem Verbleib in der Koalition.
Im Willy-Brandt-Haus hat am frühen Morgen die Auszählung des Mitgliederentscheids um den SPD-Vorsitz begonnen. 250 Freiwillige aus ganz Deutschland öffnen mit speziellen Schlitzmaschinen die Briefwahlunterlagen – pro Stunde 20.000 Briefe. Außerdem muss das Ergebnis der Online-Abstimmung ausgelesen werden. Noch am Abend sollen die Gewinner verkündet werden.
“Das wird ein spannender Tag für uns alle”, sagte Generalsekretär Lars Klingbeil. Die Beteiligung der Mitglieder an der Chefsuche habe Überzeugungskraft gekostet, dann aber viele in der Partei mobilisiert. “Es war richtig, dass wir mutig waren und diesen neuen Weg eingeschlagen haben, weil wir endlich mit den Ritualen der Vergangenheit brechen”, betonte Klingbeil. Die SPD habe offen debattiert, sich gut gelaunt und geschlossen präsentiert. “So wünsche ich mir meine Partei das ganze Jahr über.”
Vier Duos mit Chancen auf Runde zwei
Gewählt werden die Nachfolger der zurückgetretenen Parteichefin Andrea Nahles. Fest steht bereits, dass die älteste Partei Deutschlands künftig von einer Doppelspitze geführt wird, denn zur Wahl standen sechs Kandidatenduos. Als erste hatten die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Christina Kampmann und Europa-Staatsminister Michael Roth ihren Hut in den Ring geworfen. Als Favoriten der Parteilinken gelten der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken. Ebenfalls chancenreich sind Finanzminister Olaf Scholz und die Brandenburgerin Klara Geywitz sowie Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping.
Als Außenseiter dagegen gelten die Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer sowie Parteivize Ralf Stegner mit der Vorsitzenden der SPD-Grundwertekommission Gesine Schwan. Eindeutige Favoriten gab es vor Beginn der Abstimmung nicht. Es wird damit gerechnet, dass kein Team im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent bekommt und eine Stichwahl nötig wird. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids muss von einem Parteitag Anfang Dezember noch bestätigt werden.
Mützenich setzt auf Scholz
Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich ließ erkennen, dass er Scholz’ Duo in einer Favoritenrolle sieht. “Ich bin ganz zuversichtlich, dass Olaf Scholz ein gutes Ergebnis bekommen wird und die Stichwahl erreicht”, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zugleich warb er für die Fortsetzung der großen Koalition – eine Position, mit der von den Bewerbern am ehesten Scholz verbunden wird. “Ich denke, es tut diesem Land gut, dass wir sozialdemokratische Themen in der Koalition durchsetzen.”, sagte Mützenich .
Bei der Grundrente rechnet der Fraktionsvorsitzende mit einer raschen Einigung der großen Koalition. “Ich bin zuversichtlich, dass wir Anfang November, wenn sich der Koalitionsausschuss das nächste Mal trifft, ein tragfähiges Ergebnis finden werden”, sagte er. Geplant ist ein Rentenaufschlag für Senioren, die mindestens 35 Jahre lang gearbeitet, Kinder aufgezogen oder Angehörige gepflegt haben, aber nur eine kleine Rente bekommen.
Die Grundrente soll zehn Prozent über der Grundsicherung liegen. Die SPD will sie möglichst vielen Betroffenen gewähren – die Union pocht darauf, den Rentenaufschlag von der Bedürftigkeit abhängig zu machen.